Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Hasselroth

„Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnt“.

Dankbar grüßen wir mit diesem Bibelwort die evangelischen Gotteshäuser in Hasselroth. Eine reiche Geschichte verbindet sie miteinander; sie soll hier kurz erzählt werden. Ihren Ausgang nimmt sie in Niedermittlau.

Vom Kirchspiel Niedermittlau

Niedermittlau war von alters her der geistliche Mittelpunkt unserer Region. Die Dörfer Meerholz, Hailer, Neuenhaßlau, Gondsroth sowie das 1236 erstmals erwähnte Laubersbach waren ihm wohl schon im 14. Jahrhundert als Kirchspiel, also als kirchlicher Verband unter einer „Mutterkirche“, zugeordnet. Um 1525 erreichte die Reformation unsere Dörfer. 1533 wurde sie durch Anton Graf von Ysenburg offiziell eingeführt. Als erster evangelischer Pfarrer in Niedermittlau wird Philipp Wohlgemut genannt. Die Kirchspielorte bildeten ab 1578 das ysenburgische Gericht Meerholz.

Das Kirchspiel verkleinerte sich zuerst durch den Untergang Laubersbachs nach 1536 und alsdann durch die Ausgliederung von Meerholz und Hailer im Jahre 1744. 1964, nach Einweihung einer evangelischen Kirche in Somborn, schieden auch die kleinen evangelischen Diasporagemeinden des Freigerichts aus der Niedermittlauer Betreuung aus. Mit der Errichtung der selbständigen Kirchengemeinden Neuenhaßlau und Gondsroth – dieses in der kirchenrechtlichen Terminologie als „Filial“ von Neuenhaßlau – zum 1. Januar 1965 fand schließlich die jahrhundertealte Tradition des Kirchspiels ihr Ende. Die Kirchen-gemeinden Neuenhaßlau und Gondsroth wurden alsdann zum 1. Januar 2008 vereinigt. An dieser Stelle werfen wir einen Blick auf die kommunale Gliederung, die mit der kirchlichen Organisation in einem bemerkenswerten Wechselspiel stand. Neuenhaßlau, Gondsroth und Niedermittlau fanden sich nämlich im Zuge der staatlichen Gebietsreform zur Großgemeinde Hasselroth zusammen. Sie entstand 1971 zunächst durch Zusammenschluss von Neuenhaßlau und Gondsroth; 1974 wurde Niedermittlau durch Gesetz angegliedert. So lag es nahe, daß eines Tages auch die Kirchengemeinden der drei Ortsteile fusionierten. Das ist nun geschehen. Seit dem 1. Januar 2021 decken sich also die politische und die evangelische Kirchengemeinde Hasselroth.

Im Folgenden werden die Kirchen mit ihrer Geschichte und ihrem heutigen Baubestand dargestellt. Zu Niedermittlau verwende ich dabei auch Material der bisherigen Homepage www.evk-niedermittlau.de (pages/gebaeude). Dem veränderten Gemeindeleben in Corona-Zeiten ist eine kurze Betrachtung gewidmet. Den Abschluss bilden Notizen zu Finanzen, Organisation und Außenbeziehungen der Kirchengemeinde.

Die Kirchen der Gemeinden

Die Niedermittlauer Laurentiuskirche

Das älteste der Hasselrother Gotteshäuser ist die Laurentiuskirche in Niedermittlau. Ihr Namensgeber, Laurentius, war ein Diakon unter Papst Sixtus II. (3.Jh.). Er war Verwalter der Kirchenbücher und hatte im Zuge der Verfolgungen die Kirchenschätze nicht dem Staat ausgeliefert, sondern sie unter den Armen verteilen lassen. Deshalb wurde er im Jahre 258 auf einem Eisenrost unter Feuer zu Tode gemartert. Er gilt u.a. als Heiliger der Bibliothekare. Sein Gedenktag ist der 10. August.

Der romanische Kirchturm war lange Zeit auf etwa 950 v. Chr. datiert worden. Neuere Forschungen haben mittels Dendrochronologie, also durch Untersuchung der beim Bau verwendeten Hölzer, sowie auf Grund weiterer Indizien seine Entstehungszeit auf etwa 1030 bestimmt. Auch damit ist der Turm noch immer eines der ältesten Bauwerke im Main-Kinzig-Kreis. Das spätbarocke Kirchenschiff wurde 1780 auf den Fundamenten mindestens zweier kleinerer Vorgängerbauten errichtet.

Dieser Neubau war notwendig geworden, da die alte Kirche von 1454 im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigt worden war. Weitere gravierende Schäden waren 1658 durch einen Blitzschlag verursacht.

1971/72 fand eine umfangreiche Renovierung und Umgestaltung der Kirche statt, bei der u.a. der sog. Grafenstuhl, der laubenartige Kirchenstuhl der Meerholzer Grafen Ysenburg, abgebaut wurde. Zuletzt wurde der Innenraum der Kirche im Herbst 2000 renoviert. Von April bis Dezember 2014 wurde das Kirchendach erneuert. Es wurde mit naturroten Biberschwänzen eingedeckt, und das Tragwerk des Dachs wurde aufwendig neu bewehrt. In einem Gottesdienst am 21. Dezember 2014 wurde die Kirche wiedereröffnet. Nach Pfingsten 2017 folgte die Sanierung der Decke, des Emporengeländers und der Türen. Im Gottesdienst zum 500. Jahrestag der Reformation am 31. Oktober 2017 konnte die Gemeinde ihr Gotteshaus wieder in Besitz nehmen. Zur Deckung der erheblichen Kosten aller Baumaßnahmen trug der engagierte „Förderkreis zur Erhaltung der Laurentiuskirche in Niedermittlau“ mehr als 130.000 € bei.

Die Vaterunser-Glocke ist aus vorreformatorischer Zeit überkommen. Drei weitere Glocken wurden 1949 neu angeschafft: eine große Glocke („Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“), eine mittlere Glocke („Ein feste Burg ist unser Gott“) und eine kleine Glocke („Lobe den Herren, o meine Seele“).

Kirchenführung

Außen fällt der geschweifte Ostgiebel der Kirche auf. Diese Form, eigentlich für die Renaissance charakteristisch, findet sich selten bei Barockkirchen. Über der Haupteingangstür ist die Bauinschrift von 1780 eingemeißelt. Der frühromanische Kirchturm auf der Westseite wird vom Kirchenschiff fast erdrückt. Das Bodenniveau des Kirchenschiffs liegt erheblich über dem des Turms. Durch Bodenerhöhung infolge jahrhundertelanger Bestattungen rund um die Kirche ist der Turm gleichsam im Boden versunken.

Auf der Südseite, über einem runden Oculus und einem Rundfenster ist eine leider stark verwitterte Schreckmaske eingemauert. Eine weitere, besser erhaltene Schreckmaske sowie ein Löwenrelief finden sich auf der Ostseite des Turms, vom Kirchendach verdeckt. Der hochgelegene Eingang auf der Westseite nährte Spekulationen, der Turm sei ursprünglich ein Wehrturm gewesen. Eingehende Untersuchungen haben jedoch diese Annahme widerlegt.

Betritt man die Kirche, so sieht man im Vorraum zwei Grabplatten aus der Zeit vor 1780. Über die Treppe erreicht man die U-förmige Empore, die im Kern noch aus der Erbauungszeit der Kirche stammt. Die auf der Empore stehende Orgel wurde 1855 durch den Orgelbauer August Ratzmann aus Gelnhausen im neugotischen Stil gebaut.

Auffällig im Kircheninneren ist die Kargheit des Raums, die mit den streng reformierten Grundsätzen zusammenhängt. Die schlichte spätbarocke Kanzel ist mit typischen Pinienzapfen erbaut. Rechts neben der Kanzel ist ein gotisches Sakramentshäuschen eingemauert, das aus dem Chor der Vorgängerkirche stammt. Möglicherweise wurde es schon vor 1780 als Aufbewahrungsort für Abendmahlsgeräte verwendet und daher im Neubau wieder eingefügt.

Gemeindehaus

Das heutige Gemeindehaus wurde 1979 auf dem Platz der früheren Pfarrscheune neu gebaut. Nach dem Krieg war hier ein von Diakonissen betreutes Altersheim eingerichtet worden.

Das Gemeindehaus steht direkt hinter dem Pfarrhaus. Es verfügt über zwei Räume, die für größere Veranstaltungen miteinander verbunden werden können. Auch die evangelische Kinder- und Jugendbücherei ist dort untergebracht.

Das Gemeindehaus kann für private Feiern gemietet werden, sofern keine gemeindlichen Veranstaltungen stattfinden.

Pfarrhaus

Das Pfarrhaus wurde 1902 erbaut. In 1998 wurde seine Fassade renoviert. Über Jahrzehnte wurden die Konfirmandenbilder vor seiner Kulisse aufgenommen, früher besonders reizvoll, weil die Buben zum ersten Mal in ihrem Leben einen Hut auf den Kopf bekamen. Das Pfarrhaus ist inzwischen entwidmet.

Die Pfarrer/innen

Vom 20. Jahrhundert an haben folgende Pfarrer und Pfarrerinnen das Amt in Niedermittlau versehen:

  • Karl August Sauer (1894 – 1931)
  • Bruno Adelsberger (1932 – 1945)
  • Karl Heinz Walter Kurz (ab 1945)
  • Dr. Richard Kuhn (ab 1959)
  • Gerhard Loos (ab 1967)
  • Helmut Törner-Roos (ab 1986)
  • Dr. Elke Seifert (ab 1995)
  • Andrea Krügler (2012 – 2014)
  • Anne Rudolph (2014 – 2016)
  • Bettina von Haugwitz (ab 2016)

Die Gondsrother Kirche

In einer (allerdings gefälschten) Urkunde von 1151, alsdann in einem Dokument von 1234 wurde eine Kapelle in Gondsroth erwähnt. Die Ritter Hertwig, Conrad und Simon von Gondsroth stifteten Land und Fruchtabgaben zur Unterhaltung einer Kaplanstelle für diese Kapelle. Dass sie im Besitz des Klosters Selbold stand, bezeugt eine weitere Urkunde von 1238. Rainer Peschelt, der sich um die Erforschung der Kirchen von Niedermittlau und Gondsroth verdient gemacht hat, hält für möglich, dass die Gondsrother Kirche dem Heiligen Kilian geweiht war. Das heutige Gotteshaus hat seine Form im Wesentlichen im Jahre 1717 gefunden. Der Turm hingegen – auch dies wissen wir aus dendrochronologischen Untersuchungen – wurde bereits 1469 vollendet. Sein Dachstuhl musste 1994 erneuert, der einem Sturm zum Opfer gefallene Wetterhahn ersetzt werden. Renovierungsarbeiten im Kircheninneren und im Gemeindeheim sowie die Neugestaltung des Kirchgartens schlossen sich an. Im Februar 1995 wurde die Fertigstellung mit einem Festgottesdienst gefeiert. Eine neue Kirchentür ersetzte im Juni 1996 ihre etwa 300 Jahre alte Vorgängerin. Größere Renovierungen und Umbauten im Kircheninneren hatten bereits 1659, 1717 und 1954 stattgefunden

Zu Pfingsten 2005 konnte die Neugestaltung des Eingangsbereichs der Kirche und die Aufstellung eines Kunstwerks im Kirchgarten gefeiert werden. Das alte Uhrwerk, das über 100 Jahre lang die Kirchturmuhr bewegt hatte, war von dem Neuenhaßlauer Künstler Matthias Kraus (www.krauskunst.de) zu einem Stück Kunst gestaltet worden. „Zeit“ ist das Schlüsselwort, auf das der Betrachter assoziieren darf: In aller Hektik sich Zeit nehmen – für sich und für andere – nachdenken – zur Ruhe kommen – erkennen, welches Ding jetzt „seine Zeit hat“.

Langgehegte Pläne zur Renovierung der Gondsrother Kirche konkretisierten sich im Laufe des Jahres 2010. Mit dem Ingenieurbüro Frischmuth (Gelnhausen-Hailer) wurde ein Drei-Stufen-Plan entwickelt: Bekämpfung des Holzwurms im Mobiliar, Einbau einer neuen Heizungsanlage, Neuanstrich des Innenraums. Im weiteren Verlauf des Vorhabens wurde indessen festgestellt, dass auch das Dachgebälk des Kirchenschiffs wegen Feuchtigkeit und Pilzbefalls schadhaft war. Die gebotene Sanierung würde die bisher auf 200.000 € geschätzten Kosten verdoppeln. Daraufhin wurde ein Förderkreis gebildet, der in der Folge mit vielerlei Aktivitäten entscheidend zur Finanzierung des Vorhabens beitrug.

Bevor Anfang Mai 2013 die Bauarbeiten begannen, musste der größte Teil der Orgel abgebaut werden. Die Pfeifen wurden bei dem Orgelbauer Michael Stumpf in Bad Kissingen überholt, die übrigen Teile am Ort eingelagert. Die dann begonnene Sanierung des Dachstuhls erwies sich als erheblich anspruchsvoller denn erwartet. Da nicht die gesamte Eichenholzkonstruktion gegen eine neue ausgetauscht wurde, musste eine Vielzahl einzelner Bauteile durch neue ersetzt bzw. wieder richtig in ihre Verankerung eingefügt werden – ein Puzzlespiel. Am Kirchendachrand waren die Profile zu erneuern. Diese schwierigen und aufwendigen Arbeiten lagen in der Hand der Fachfirma Huke aus Sondershausen in Thüringen. Das Dach wurde schließlich wieder mit Biberschwanz-Ziegeln eingedeckt. Gegen Ende des Jahres 2013 waren diese Arbeiten abgeschlossen.

Der zweite Bauabschnitt, die Innenrenovierung, begann im Februar 2014 mit dem Ausräumen der Kirche. Ende Mai wurden, wiederum mit zupackender Hilfe von Freiwilligen, die Bodenplatten und der alte Beton losgeschlagen; 10 Kubikmeter Schutt waren zu entsorgen. In der Folge waren eine neue Bodenplatte zu gießen, die neue Elektroheizung zu verlegen, neue Elektroleitungen unter Putz zu bringen und ein Beleuchtungskonzept zu entwickeln. Die künftige Altargestaltung war Gegenstand vieler Beratungen, schließlich in einer eigens hierfür gebildeten Projektgruppe. Am 5. Juli 2015 nahm im Rahmen des Sommerfests die glückliche Gemeinde ihre Kirche wieder in Besitz.

„Glocken brechen den Donner und verscheuchen das lange Unwetter“ (Jacob Grimm)

Die vier Gondsrother Glocken stammen von 1520, 1949 bzw. (zwei) 1968. Das Geläut erklingt in den Tönen e, cis, h, gis. Die älteste Glocke, St. Anna – Feuer- und Sturmglocke, trägt die Inschrift „Peter Gereyszen gosz mich 1520. Es fliehe der Blitz und die Kälte des Winters, das Unwetter schweige und selbst der rasende Wind“. Die zweite Glocke, 1949 gegossen, ist beschriftet: „O Land, Land, höre des Herren Wort“. Die beiden neuen Glocken wurden 1968 in der Glockengießerei Rincker in Sinn (Dillkreis) gegossen. Die kleinere hat die Inschrift „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“, die größere „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat“. Das Geläut wurde am Pfingstmontag, dem 3. Juni 1968, eingeweiht.

2001 beteiligte sich die Kirchengemeinde engagiert an den Feierlichkeiten zum 850-jährigen Jubiläum von Gondsroth. Ein auf dem Kirchhof aufgestellter Gedenkstein aus heimischem Sandstein erinnert an das Jubelfest.

Im Jahre 2005 wurde die historische staatliche Kirchenbaulast für die Gondsrother Kirche durch eine Einmalzahlung abgelöst.

Bis zur Einrichtung eines eigenen Friedhofs in Neuenhaßlau im Jahre 1854 waren die Toten aus Neuenhaßlau auf dem Gondsrother Friedhof bestattet worden. Über den Hasselbach führte der „Totensteg“, den die Sargträger auf dem Weg nach Gondsroth passieren mussten.

Gemeindeheim

Das 1965/66 errichtete, 1984 mit einer neuen Heizung ausgestattete Gemeindeheim war 1999/2000 mit dem Ziel multifunktioneller Nutzbarkeit umfangreich umgebaut und modernisiert worden. Anfang August 2013 eröffnete darin der Malteser Hilfsdienst mit dem „Café Malta“ einen Treffpunkt für Demenzkranke. Jeden Donnerstagnachmittag wurde von einem besonders geschulten Team Betreuung der Kranken mit Kaffeetafel und gemeinsamen Aktivitäten angeboten. Im Herbst 2015 verlegten die Malteser ihr Betreuungsangebot in die Niedermittlauer Bürgerbegegnungsstätte (Alte Schule). Das Gemeindehaus wurde an die politische Gemeinde vermietet und nach Umbaumaßnahmen zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. Nach einer weiteren Sanierung wird es jetzt für Veranstaltungen der Gemeinde genutzt und kann für private Feiern gemietet werden.

Die Pfarrer

Gondsroth hatte keine eigenen Pfarrer. Zuständig waren zu Zeiten des Kirchspiels Niedermittlau die dortigen Pfarrer, danach die Pfarrer aus Neuenhaßlau.

Gotteshäuser in Neuenhaßlau

Kapelle

Eine Urkunde von 1343 berichtet, daß der Ritter Rudolf von Rückingen und seine Frau Metze eine Kapelle in Neuenhaßlau stifteten und ihr Einkünfte und Güter für ihre Unterhaltung widmeten. Das Gotteshaus stand im Bereich der heutigen Einmündung der Hauptstraße in die Hanauer Landstraße, also nicht weit von dem Platz, an dem sich heute unsere Christuskirche erhebt. Die spätere Flurbezeichnung „Kirchenwiesen“ rührt von jener Kapelle. Den Kirchendienst sollte der Kaplan von Gondsroth mitversehen. Soweit wir wissen, hat Neuenhaßlau niemals einen eigenen Geistlichen gehabt.

Die Kapelle scheint bis etwa Mitte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch gewesen zu sein, dann verfiel sie offenbar aus Mangel an Mitteln. Restliche Bauteile wurden um 1900 als Teil eines Bauernhauses entdeckt und nach 1910 abgebrochen. Der Altarstein, anfangs des 20. Jahrhunderts als Treppenstufe eines anderen Bauernhauses verwendet, erhielt 1997 seine alte Funktion zurück: als Altar im Foyer der Christuskirche.

Notkirche

Das leitet über zur neueren Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerten sich unsere Dörfer infolge des Zuzugs von Vertriebenen und Flüchtlingen. Der relativ weite Kirchweg nach Niedermittlau oder auch nach Gondsroth erschien beschwerlich. So entstand der Wunsch nach einem Gotteshaus in Neuenhaßlau. Am Erntedankfest 1949 konnte eine Notkirche geweiht werden. Sie bestand aus einer Baracke auf einem Steinsockel und verfügte über ein Harmonium für die Kirchenmusik. Jeden zweiten Sonntag wurde Gottesdienst, jeden Sonntag Kindergottesdienst gehalten. Eine Zeitlang nutzten auch die katholischen Christen Neuenhaßlaus das Kirchlein für ihre Gottesdienste, bis sie 1956 eine eigene Kirche am Ort erbauten.

Christuskirche

Bald erwies sich das Provisorium Notkirche als zu klein. 1958 hatte Neuenhaßlau 2160 Einwohner, fast so viele wie das gesamte Kirchspiel Niedermittlau im Jahre 1914 (2190). 878 waren Neubürger, unter ihnen zahlreiche Ungarndeutsche, die als treue Kirchgänger der Gemeinde ihr besonderes Gepräge gaben.

Im März 1958 wurde nach den Plänen des Architekten Georg Reuther aus Hailer neben der Notkirche mit dem Bau der Christuskirche begonnen. Die Grundsteinlegung fand am Sonntag Quasimodogeniti, dem 13. April 1958, statt. Am 4. Advent, dem 21. Dezember 1958, konnte das Gotteshaus durch Probst Wibbeling aus Langendiebach geweiht werden. Dekan Maue (Gelnhausen) rief die evangelischen Kirchengemeinden des Altkreises Gelnhausen zu Spenden für die Altargeräte der neuen Kirche auf.

Schon 1959 bekam das neue Gotteshaus Glocken. Das Geläut ist auf die Töne e, g, h, d gestimmt. Die alte Glocke wurde 1777 von einem Windecker Meister gegossen und hing ehemals im Türmchen des alten Schulhauses. Sie trägt die Inschrift „Ehre sei Gott in der Höhe“ und kündigt die Gottesdienste an. Die anderen Glocken wurden 1959 in der Glockengießerei Rincker gegossen.

Die Christusglocke, beschriftet „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“, läutet zu Vaterunser, Abendmahl und Einsegnung von Brautpaaren. Die Sterbeglocke trägt das Wort „Ich lebe und ihr sollt auch leben“. Die Betglocke erklingt zum Zeitläuten; ihr ist das Wort mitgegeben „Wachet und betet. Der Herr ist nahe“. Das gesamte Geläut war erstmals zum Gottesdienst am 4. Advent (20. Dezember) 1959 zu hören.

1961 bekam die Kirche eine Orgel. Das 12-registrige Instrument wurde von der Firma Steinmeyer im bayerischen Oettingen gebaut.

Im Jahre 1997 wurde die Christuskirche umfassend renoviert. Bestuhlung und Heizungsanlage wurden erneuert, die Fenster vergrößert. Die Einweihung fand am 1. Adventssonntag, dem 30. November, des Jahres 1997 statt. Neue, von dem Künstler Tobias Kammerer aus Rottweil gestaltete Glasfenster konnten sukzessive aus Spenden angeschafft werden. Am Ostermontag, dem 1. April, des Jahres 2002 wurde der Gemeinde das „Gesamtkunstwerk“ in einem Gottesdienst vorgestellt.

Im Frühling 2007 wurde auf dem Kirchendach eine Photovoltaikanlage installiert. Sie wandelt das Sonnenlicht in elektrischen Strom um und speist ihn ins Netz ein. Der Erlös beschert, nach Ablösung des Darlehens in 2019, der Kirchenkasse willkommene Einnahmen.

Am 4. Advent – dem 21. Dezember – des Jahres 2008 feierte die Gemeinde den 50. Jahrestag der Kircheneinweihung. Zu ihrem Ehrentag beschenkte sie sich mit einer reich bebilderten Festschrift, zu der u.a. alle Pfarrerinnen und Pfarrer der Christuskirche beigetragen haben. Der bunte Reigen der Jubiläumsveranstaltungen fand seinen Abschluss mit dem Gemeindefest vom 3. bis 5. Juli 2009.

Im Frühjahr 2013 erstellte eine Gelnhäuser Gartenbaufirma ein Konzept für die Neugestaltung des Kirchgartens. In der Folge wurden die Pläne mit Hilfe von Gemeindegliedern umgesetzt. Sand- und Feldsteine bilden Begrenzung und reizvollen Kontrast.

Für fröhliches Spielen und für die Gemeindefeste bleibt reichlich Platz.

Gemeindehaus (Johannes-Heermann-Heim)

1967 konnte schließlich ein Gemeindehaus in Betrieb genommen werden. Es erhielt später den Namen Johannes-Heermann-Heim nach dem langjährigen Neuenhaßlauer Schulleiter und Kantor, der jahrzehntelang als Organist in Niedermittlau tätig gewesen war.

Das Johannes-Heermann-Heim wurde 1996 umgebaut und renoviert. Unter Leitung von Architekt Otto Hestermann (Gondsroth) wurde es geräumiger, heller und einladender gestaltet. Das Schmuckstück wurde am 27.10.1996 feierlich neu eröffnet.

Neben den beiden Sälen für Gemeindeveranstaltungen und Vermietungen fanden hier die Ev. Kinder- und Jugendbücherei und seit 2016 die Krabbelgruppe passende Räume. Im Übrigen ist das Gemeindehaus Zentrum vieler, nicht nur kirchlicher, Aktivitäten. Seit 1994 beherbergt es eine Kinder- und Jugendbücherei, die sich großen Zuspruchs erfreut. Die engagierte Arbeit des von Karin Richter geleiteten Teams erfuhr im Oktober 2011 eine verdiente Würdigung: Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen verlieh ihm den Förderpreis für ehrenamtlich geführte Büchereien in Hessen. In 2019 feierte die Bücherei ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum und konnte mit Stolz berichten, daß sie bislang 2900 Lesekarten ausgegeben hat und insgesamt 4500 Bücher und digitale Medien vorhält.

Pfarrhaus

Das Pfarrhaus wurde 1961 errichtet. Es kam allmählich in die Jahre. 2019 begann eine umfangreiche Sanierung. Zunächst packten viele Helfer/innen aus Kirchenvorstand und Gemeinde an und erledigten die vom Architekten vorgeschlagenen Eigenarbeiten wie Fliesen abschlagen, Wände herausreißen und Rodungen im Garten vornehmen. Im Januar 2020 begannen die Handwerkerarbeiten. Im Sommer 2020 wurde das renovierte Pfarrhaus von Pfarrerin Kerstin Reinold und ihrer Familie bezogen. Das Pfarrbüro befindet sich ebenfalls im Pfarrhaus.

Die Pfarrer/innen

Letzter Pfarrer des Kirchspiels Niedermittlau war Dr. Richard Kuhn gewesen. Roland Hammann hatte ihm bereits ab 15. März 1960 als Vikar zur Seite gestanden und die Dörfer Neuenhaßlau und Gondsroth betreut. Er diente den Kirchengemeinden Neuenhaßlau und Gondsroth bis zu seiner Pensionierung im Sommer 1992 als erster Pfarrer. Ihm folgte ab Mai 1993 die Pfarrerin Anne Vilmar, die ab Mai 1995 ihre Stelle mit ihrem Ehemann, Pfarrer Andreas Herrmann, teilte. Sie schieden mit einem feierlichen Gottesdienst am 12. September 1999 aus, um (im Jahre 2000) einen Dienst in Nigeria anzutreten.

Seit dem 1. November 1999 waren, wiederum je mit halber Stelle, Pfarrerin Bettina von Haugwitz und ihr Ehemann, Pfarrer Ulrich Briesewitz, in unserer Gemeinde tätig. Sie wurden in einem festlichen Gottesdienst am Sonntag, dem 3. März 2002, von Dekan Happel eingeführt. Pfarrerin von Haugwitz, seit Frühjahr 2016 Vakanzvertreterin in Niedermittlau, übernahm ab 1. August 2016 die dortige Pfarrstelle.

Sie wurde im Erntedank-Gottesdienst am 2. Oktober 2016 in der Christuskirche verabschiedet. Pfarrer Briesewitz übernahm ihre halbe Stelle. Er schied mit Ablauf des Monats Oktober 2018 aus und wechselte in die Pfarrstelle für Polizei- und Notfallseelsorge im Main-Kinzig-Kreis mit Sitz in Gelnhausen. Im Gottesdienst am 28. Oktober 2018 wurde er feierlich verabschiedet. Das Pfarrer-Ehepaar von Haugwitz/Briesewitz ist nach Bernbach verzogen. Pfarrerin Kerstin Reinold, zunächst Vakanzvertreterin, übernahm alsbald die Pfarrstelle. Sie wurde im Gottesdienst am 2. Juni 2019 in ihr Amt eingeführt.

Gemeindeleben in Corona-Zeiten

Anfang 2020 begann ein gefährliches kleines Virus unser Land zu überschwemmen. Bald sprach man von einer COVID-19-Pandemie, und plötzlich war alles anders: Hände waschen, Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz tragen. Am 16. März 2020 rief Bundeskanzlerin Angela Merkel den ersten „Lockdown“ aus. In der Folgezeit erlebten die Kirchen das volle Programm: totale Schließung, begrenzte Öffnung mit Hygiene-Konzepten, Gottesdienste „to go“, also biblische Botschaften zum Mitnehmen vor den Kirchentüren. Man wich zu „Klappstuhl-Gottesdiensten“ in Kirchgärten aus oder pilgerte am Himmelfahrtstag im Kooperationsraum am Heiligenkopf zu den nächsten Kirchen. Gottesdienste gab es auf dem Youtube-Kanal des Kooperationsraums, Podcasts auf der Internetseite der Kirchengemeinde Neuenhaßlau-Gondsroth. Seelsorgerliche Gespräche wurden in Gärten oder auf gemeinsamen Spaziergängen geführt.

Wer gedacht hatte, im Jahre 2021 wäre alles vorbei, wurde enttäuscht. Ehe durch großflächiges Impfen keine „Herden-Immunität“ (ein großartiges Wort – es beschreibt die Befindlichkeit einer Vielzahl von Menschen!) erzielt ist, sehen sich die Kirchen in ihrem Dienst erheblich eingeschränkt. Und solange der Gemeindegesang untersagt ist, empfinden die Gläubigen schmerzlich, dass ihnen ein vertrauter Teil des Gotteslobs fehlt. Doch wollen wir auch das Gute sehen: Wenn die ersehnte “Normalität“ zurück sein wird, werden wir manches Neue aus unserem Erfahrungsschatz in unser kirchliches Leben integrieren. Vertrauen wir auf unseren Herrn!

Von Finanzen und Organisation

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) ist gegliedert in Sprengel. Die Sprengel sind gegliedert in Kirchenkreise, diese wiederum in Kirchengemeinden. Unsere Gemeinde gehört zum Kirchenkreis Kinzigtal, dem größten in unserer Landeskirche, dem Sprengel Hanau-Hersfeld zugeordnet. Beide Organisationsebenen sind neu zugeschnitten worden: der Sprengel zum 1. Januar 2019, der Kirchenkreis zum 1. Januar 2020. Hintergrund der Neuorganisation ist der Umstand, daß die von der Landeskirche zu tragenden Kosten der kirchlichen Arbeit (Pfarrer/innen und anderes Personal, Bau, Verwaltung u.a.) seit langem stiegen, während die Gemeindegliederzahlen erheblich zurückgingen. Das Dekanat des Kirchenkreises sowie das Kirchenkreisamt haben ihren Sitz in Schlüchtern.

Die Kostensituation nötigte auch zu Veränderungen auf der Gemeindeebene. Ein erster Schritt war die durch ein Kirchengesetz von 2016 vorgegebene Schaffung von Kooperationsräumen. Daraufhin verabredeten die evangelischen Kirchengemeinden von Neuenhaßlau-Gondsroth, Niedermittlau, Freigericht und Meerholz-Hailer ihre künftige Zusammenarbeit. Ein am 5. Dezember 2017 in Neuenhaßlau geschlossener Vertrag besiegelte den neuen Kooperationsraum „Am Heiligenkopf“. Er hat rd. 8.800 Gemeindeglieder.

Ein Stück Kooperation im Kleinen war die Vereinigung der Informationsblätter der Kirchengemeinden Niedermittlau und Neuenhaßlau-Gondsroth. Das Niedermittlauer „Laurentiusblatt“ hatte einst die alten Kirchspielorte und das Freigericht abgedeckt, bis Pfarrer Hammann für Neuenhaßlau ein eigenes Blatt, „Kirche im Dorf“, begründete. Dessen letzte Ausgabe erschien zum September 2016. Seit Dezember 2016 informiert, ebenfalls in vier Ausgaben pro Jahr, „Evangelisch in Hasselroth“ über das kirchliche Leben in beiden Hasselrother Gemeinden. Das Heft wird derzeit in 3500 Exemplaren gedruckt.

Im nächsten Schritt stand die Vereinigung der Kirchengemeinden Neuenhaßlau-Gondsroth und Niedermittlau zur Kirchengemeinde Hasselroth an. Nach zwei Gemeindeversammlungen im Februar 2019 befassten sich die beiden Kirchenvorstände mit dem Thema. In gemeinsamer Sitzung am 4. September 2019 sprachen sie sich einstimmig für das Vorhaben aus und unterzeichneten den Vereinigungsvertrag. Zum 1. Januar 2021 wurde die Fusion zur Evangelischen Kirchengemeinde Hasselroth vollzogen. Es gibt weiterhin zwei Pfarrämter: das Pfarramt I in Neuenhaßlau und das Pfarramt II in Niedermittlau. Der Kirchenvorstand besteht aus den Mitgliedern der bisher getrennten Vorstände.

Seit dem 1. Januar 2021 gilt in der EKKW eine neue Kollektenordnung. Es gibt nur noch wenige von der Landeskirche vorgegebene Pflichtkollekten. Im Übrigen entscheidet der Kirchenvorstand über die Verwendung. Dabei sind 15% des Kollektenaufkommens außerhalb der Kirchengemeinden einzusetzen.

Unsere Kirchengemeinde unterhält herzliche Beziehungen zu ihrer Partnergemeinde in Reinsdorf bei Artern (Thüringen). Die Partnerschaft hat schwierige Zeiten überdauert. Die Gemeinde Salatiga in Indonesien, mit der über 20 Jahre eine Partnerschaft gepflogen wurde, existiert leider nicht mehr.

Es mag angemerkt werden, daß die Katholische Kirche im Bistum Fulda mit der Schaffung von „Pastoralverbünden“ eine ähnliche Konzentration der Gemeinden wie die EKKW vorgenommen hat. Inzwischen bahnt sich dort die Rückkehr zu – nunmehr deutlich vergrößerten – Pfarreien an. Die katholischen Christen Hasselroths gehören organisatorisch zum Pastoralverbund St. Peter und Paul Freigericht-Hasselroth. Zu ihm besteht ein vertrauensvolles Verhältnis, das eine lebendige Ökumene vor Ort ermöglicht. Ab 2023 soll der Pastoralverbund in eine Pfarrei übergeführt werden

„Im Fluge unsrer Zeiten“ vertrauen wir unsere Kirchengemeinde dem Ewigen an; er möge sie weiter gnädig führen. „Du aber bleibst, wie du bist, und deine Jahre nehmen kein Ende“ (Psalm 102, 28).

Im Mai 2021 – Dr. Helmut Weidemann

Wer sich über die Kirchengeschichte unserer Dörfer näher unterrichten möchte, kann das anhand der Quellen tun, die für die vorstehende Darstellung genutzt wurden.

Quellenangaben zur Geschichte